Nachdem wir vor fünf Jahren des Beginns der Reformation im Jahr 1517 gedacht haben und uns im letzten Jahr an das mutige Bekenntnis Martin Luthers im Jahr 1521 auf dem Wormser Reichstag in Anwesenheit Karls V. (des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) und der deutschen Fürsten erinnert haben, gedenken wir in diesen Tagen erneut eines Jahrtausendereignisses:

Vor 500 Jahren, Ende September 1522, erschien die erste namhafte Ausgabe des Neuen Testaments in deutscher Sprache, das sog. „September-Testament“ Martin Luthers.

Das war im wahrsten Sinne des Wortes eine „Zeitenwende“ für Deutschland und Europa.

WELT-online berichtete darüber mit den Worten: „Der September, in dem Deutschland erfunden wurde – Warum der September 1522 das wichtigste Datum der deutschen Geschichte ist.“ Sogar Friedrich Nietzsche urteilte interessanterweise: „Die Luther-Bibel ist das beste deutsche Buch.

Und in der Tat muss man dieses Ereignis zusammen mit den Geschehnissen in Worms zu den bedeutendsten Momenten nicht nur der Kirchengeschichte, sondern auch zumindest der europäischen Geschichte zählen. Schließlich ist ein ganzes Zeitalter der europäischen Geschichte nach der Reformation benannt.

Wie bekannt, hatte Kurfürst Friedrich der Weise in seiner Weisheit „seinen Professor“ nach seinem Auftritt in Worms auf der Wartburg in Sicherheit gebracht, wo Luther dann zehn Monate als Junker Jörg getarnt verbrachte. Von seinem Freund Melanchton gedrängt machte er sich daran, das Neue Testament (NT), das gerade erst von Erasmus von Rotterdam (1476 – 1536) zum ersten Mal in griechischer Sprache und gedruckter Form verfügbar gemacht wurde, in nur elf Wochen (also ca. drei Kapitel pro Tag) in die deutsche Sprache zu übersetzen. Alle bisherigen Übersetzungen basierten auf der lateinischen Vulgata (die jedoch von Experten eher als „suboptimal“ eingestuft wird).

Nun lag erstmals eine namhafte Übersetzung des NT in einer anderen Sprache vor. Die „Lutherbibel“ bildete den Anstoß für fast alle Übersetzungen in andere Nationalsprachen. Man übertreibt wohl kaum, wenn man von einen Weltereignis spricht.

Luther machte mit seiner Übersetzung die Bibel dem Volk zugänglich. Dabei war es ihm wichtig, dass auch die „einfachen Leute“ das Wort Gottes verstehen konnten. Deshalb „schaute er dem Volk auf´s Maul“. Welch ein Kontrast zur heutigen Genderideologie, die dem Volk eine künstliche Sprache „von oben“ verordnen will, bei der man am Ende häufig nichts mehr versteht.

Dem Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen war dieses Jubiläum Anlass wert, im September eine ganze Festwoche unter dem Motto „Kraft der Worte“ in Eisenach zu organisieren, um das damalige Geschehen in ausgiebiger Weise zu würdigen und zu feiern.

Natürlich hätte es auch heißen können: „Die Kraft des Wortes“. Schließlich ist das Wort Gottes ja nicht „Schall und Rauch“, sondern „wirksam“ (Hebr. 4,12) und wird bewirken, was Gott gefällt, und ausführen, wozu ER es gesandt hat (Jes. 55,11).

In seiner guten Predigt ging Landbischof Kramer auf den beeindruckenden und passenden Text im 8. Kapitel des Buches Nehemia ein, in dem berichtet wird, wie der Schriftgelehrte Esra dem ganzen aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrten Volk in Jerusalem sieben Tage lang die Thora vorlas und die Leviten dem Volk die Schrift auslegten, so dass jeder Einzelne auch verstand, was vorgelesen wurde. Das ganze Volk stand ehrfurchtsvoll auf und richtete seine Ohren von morgens bis mittags (!) – [welche Ausdauer] – auf das Buch des Gesetzes. Und als die Israeliten die Verkündigung gehört hatten, mussten sie vor Ergriffenheit weinen. Sie knieten mit dem Gesicht zur Erde geneigt nieder und beteten den HERRN an. Und anschließend feierten sie ein großes Freudenfest, weil sie das Wort Gottes gehört und verstanden hatten. Welch überragende Beschreibung einer Versammlung, wie wir sie uns öfters wünschen sollten.

Die Luther-Bibel erschien rechtzeitig und perfekt getimt zur Leipziger Buchmesse Ende September 1522 (die gab es schon damals), daher der Name „September-Testament“. Die 1. Auflage von 3.000 Exemplaren – von Lucas Cranach d. Ä. mit schönen Bildern illustriert – ging weg „wie warme Semmeln“, so dass schon im Dezember 1522 die 2. Auflage, das „Dezember-Testament“, mit nochmals 2.000 Exemplaren erschien.

Darüber hinaus wurden viele einzelne Schriftstellen und -passagen in diversen Flugschriften massenhaft unter dem Volk verteilt.

Der Reformator Johannes Bugenhagen (1485 – 1558), ein Freund Luthers, veröffentlichte dann schon 1524 ein Neues Testament in niederdeutscher Sprache.

Bis zu seinem Lebensende arbeitete Luther zusammen mit seinem „Revisionsbeirat“ immer wieder intensiv daran, seine eigene Übersetzung zu optimieren.

Die Reformatoren setzten sich auch intensiv für eine bessere Bildung unserer Kinder ein und diese lernten dann mit der Bibel und dem Katechismus Lesen. Insofern sorgten die Reformatoren für eine richtige Bildungsexplosion.

Die Luther-Bibel gehört zu den überragenden Werken der deutschen Kultur- und Literaturgeschichte. Sie inspirierte Komponisten, Dichter, Philosophen und Schriftsteller. Wer sprach, sang oder schrieb, verwendete Luthers Sprache. Die Luther-Bibel trug damit wesentlich zur Entwicklung einer einheitlichen neuhochdeutschen Sprache aus einer Vielzahl von Dialekten bei.

Viele und bekannte Worte und Sprichworte leiten sich aus der Luther-Bibel ab, z.B.:

  • Die Perlen vor die Säue werfen
  • mit seinen Pfunden wuchern
  • sein Licht nicht unter den Scheffel stellen (Das sog. „Eimer-Testament“, eine Revision der Luther-Bibel, die das Wort „Scheffel“ durch das Wort „Eimer“ ersetzte, kam nicht so gut an bei der Bibel-lesenden Bevölkerung 😊 )
  • etwas auf Herz und Nieren prüfen
  • Sündenbock, Nächstenliebe, Denkzettel, Wolf im Schafspelz, Machtwort

Wie z.B. Stephanus in seiner Verteidigungsrede (Apg. 7) auf den 2.000 Jahre vor ihm lebenden Glaubenshelden Abraham hinwies, sollten auch wir dankbar sein für die Gnade, die Gott unserem Volk vor 500 Jahren durch Martin Luther und seine Weggefährten erwiesen hat und unser geistliches Erbe immer lebendig halten.

Vorschau: 2030:   „500 Jahre Reformation – 500 Jahre Confessio Augustana“

Quellen:

  • „Die Bibel“, in der Übersetzung Martin Luthers oder nach anderen guten Übersetzungen
  • Alexander Schick: „Geniestreich auf der Wartburg“ in „Faszination Bibel“, Ausgabe 3 / 2022
  • Lutherhaus Eisenach: Ausstellung
  • Wartburg Eisenach: Dauerausstellung und Sonderausstellung „Von der Macht der Worte“
  • Deutsche Bibelgesellschaft: „Martin Luther – Reformator und Bibelübersetzer“
  • Günther Schuchardt: „Martin Luther – Mönch, Prediger, Reformator“, Verlag Schnell & Steiner
  • Johannes Hartlapp: „Die Bibel Martin Luthers“, Edition Acanthus