Am 15.03.2021 erschien in der SVZ ein Artikel, den unser Mitglied und Kreistagsabgeordneter, Matthias Kohlstedt, nachstehend in einem Leserbrief kommentiert hat. Bisher erhielt er keine Antwort darauf.

Sehr geehrter Herr Schulz,

am Anfang gleich eine Einladung zu einer Tasse Kaffee, weil ich schon jetzt weiß, dass sich viele Gedanken schwer in folgendem Text unterbringen lassen.

Heute beim Frühstück las ich Ihren heutigen SVZ-Kommentar. Etwas später sah ich dann auch das Bild auf Seite 16. Dazu auch die Überschrift von 943 Anzeigen bei 1000 Querdenkern, 12 Polizisten verletzt…
Ich beziehe die elektronische Ausgabe der SVZ, da kann man auch das Bild gut vergrößern. Die ich da sehe, sehen bestimmt wie Polizistenverletzer aus…
Und sicher hat es Rangeleien gegeben, und sicher sind nicht alle auf Krawall Gebürsteten zu sehen…
Aber es ist ein Bild, welches Sie in der Öffentlichkeit malen und dieses „Malerei“ hat in jede Richtung Auswirkungen.
Um tatsächlich an eine objektive Presseerstattung zu glauben, vermisse ich ähnliche Kommentare auf Seite 1, wenn auf Polizisten mit Leuchtspurmunition geschossen wird, wenn von besetzten Häusern Steinplatten auf Polizisten geworfen werden, wenn von den (Toleranz einfordernden) Demonstranten Wahlkampfstände unter Einbeziehung von körperlicher Gewalt aufgemischt werden, wenn Bundeswehr- und Polizeiautos in Flammen aufgehen, wenn Polizeidienststellen angegriffen werden…

Was Sie schreiben, mag genau so sein, wie Sie es beschrieben haben. Ich war ja nicht bei der Demonstration dabei. Aber Tendenzen meine ich schon zu erkennen. Aus meiner Sicht gibt es doch des Öfteren eine einseitige Berichterstattung, nicht gelogen, aber einseitig.
Ich bin seit vielen Jahren Mitglied des Kreistages Landkreis Rostock. Dort habe ich z.B. auch für Beschlüsse gestimmt, wo ich Monate, Jahre später, dann in einer neuen Wahlperiode erkannt habe, dass man uns bei Empfehlungen für Abstimmungen nicht belogen hatte, die / der Einbringer hatten nur einen Teil der vorliegenden Informationen weggelassen. Ich hätte in einem sehr konkreten Fall damals völlig anders gestimmt. Eine von vielen Lehren aus der Kommunalpolitik.
Mir ist schon bewusst, dass Objektivität schwierig ist, weil ich, wie alle Menschen, mitten im Leben stehe, mit Vorlieben, mit Sichtweisen auf das Leben und die Gesellschaft, nicht nur politisch. Manche Politiker stehen unter einem gewissen Fraktionszwang, gerade jetzt vor den Wahlen, wo es manchen schon um bestimmte Listenplätze geht.

Ich bin ein „DDR-Kind“. Für mein Leben in der DDR bin ich dankbar, auch für viele tolle Erlebnisse und Erfahrungen. Aber ich kenne auch die andere Seite. Nicht studieren dürfen, weil ich als Christ nicht in die FDJ eingetreten bin, meine Meinung vertreten habe, den Dienst mit der Waffe verweigert habe. Als Bausoldaten durften wir mit den anderen Soldaten keine Mahlzeiten gemeinsam einnehmen, wir wurden als Asoziale, Homosexuelle und Kriminelle dem Standort angekündigt, wo ich „dienen“ durfte. Ich habe erlebt, wie schwer es war und welche Konsequenzen es hatte, seine Meinung zu sagen. In Teilen habe ich den Eindruck, was die Meinungsfreiheit und Vielfalt der Sichtweisen angeht, befinden wir uns auf dem Weg in „DDR 2.0.“

Wie gesagt, eine Tasse Kaffee, oder auch 2 oder 3. Allerdings auch gern ohne Aufnahmegerät, wenn Sie an Sichtweisen eines 61jährigen Mannes interessiert sind. Beruflich arbeite ich seit 40 Jahren mit suchtkranken Menschen und Angehörigen und Familien. Ich sehe, was die festgelegten Corona- Regelungen auch für Nebenwirkungen haben. Vereinsamung, Rückfälle, psychische Belastungen, Rückzug in die eigene „Platte“, manchmal wenig Geld und Mög­lichkeiten, sich seine Probleme von der Seele zu reden. Manche (auch Politiker) haben Arbeit, sozi­ale Kontakte, kleine Häuser bis große Villen und wissen oft nicht, wie es den Menschen „unten“, gerade auch im ländlichen Bereich geht. Viele von den Menschen haben teilweise auch eine schwarz-weiße-Sicht. Aber eben nicht nur diese Personengruppen.

Sie haben eine große Verantwortung im Blick auf die Ausgewogenheit der öffentlichen Bericht­erstattung. Ich weiß nicht, ob dieser Drahtseilakt heutzutage wirklich möglich ist. Aber ich wün­sche Ihnen Offenheit und Interesse an den vielen Facetten des Lebens und den so unterschiedli­chen Lebensgeschichten und Sichtweisen der Leute, ob links, rechts oder in der Mitte des Alltags­spektrums angesiedelt.

Über eine Reaktion würde ich mich freuen. Meine Mailadresse haben Sie.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Kohlstedt